trichter

Fata Securita

2011

Logo

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Logo am Ausstellungscontainer

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Fata Securita

2011

Mannheim, Deutsche Bank
Modell 1:5

Container mit Modell vor dem fragwürdigen Gebäude

2011

Unsere täglichen Sicherheitserwartungen entsprechen zu keiner Zeit der Ereignisvollkommenheit des Geschehens.

An einem als statisch sicher bewerteten Gebäude– hier eine Filiale der Deutschen Bank in Mannheim– wird mit einer Stützkonstruktion auf dessen Baufälligkeit hingewiesen. Bislang konnte nur ein maßstabsgerechtes Modell 1:5 realisiert werden.

Hintergrund

I
Jedes Bauwerk gilt als sicher, wenn sein Einsturz mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1 Mio. ausgeschlossen werden kann. Der Passagierdampfer „Titanic“ wurde 1912 von der Versicherungsgesellschaft Lloyd mit eben dieser Wahrscheinlichkeit gegen Schiffbruch in Folge eines Zusammenstoßes mit einem Eisberg versichert.
Spontane Umschläge geplanter Abläufe in unkontrollierbare Kausalketten sollten stets einbezogen werden. Wenn nichts passiert, muß man aufpassen.
→ Unaufhaltsam ist alles Gegenüber.

II
Die Erwartung, dass Gefahr und Schutz zueinander ins gleiche Verhältnis gesetzt werden könnten, ist nicht real. Sicherheitsmaßnahmen leisten keine dynamische Anpassung, wenn aus Gefahr größere Gefahr entsteht oder Berechnungsfehler dieToleranzgrenzen falsch abbilden- damit können sie eine Gefahr noch vergrößern. (Spontane Rettung aus Gefahr ist ebensowahrscheinlich wie spontaner Untergang in Sicherheit.) Man müßte also „das Rettende“ durch Vermeidung eines berechnenden Kontaktes bewahren. Das wäre jedoch ein unmenschliches Verhalten. Katastrophal menschlich ist aber das gegenteilige Extrem, das Wissen um Gefahren durch Versteifung auf vollständige Absicherung zu ersetzen. Diese Übertreibung fordert den Trickster heraus, der das Unberechenbare auf dem Grund aller Dinge verkörpert. Einer muß ja die Lücken zwischen den Bedeutungsdifferenzen flexibilisieren, die Spalten und Abrisse zwischen Wunsch und Wirklichkeit kreativ nutzen:
→ Horch was kommt von draußen rein.

III
Das Vertrauen in Fassaden folgt unberechtigten Voraussetzungen, denn die vererbten, uns unbewußten Sicherheitsbewertungen entsprechen nicht länger der zeitgemäßen Baupraxis.
Die gegenüber dem Baukörper höher wertige Oberfläche wurde im 20.Jh. externalisiert. Die Fassade distanzierte sich vom Gebäude. Gingen früher Risse notwendig durch beides, ist heute die Substanz maskiert und lebt im stillen Dunkel vom guten Ruf der Verkleidung. Durch den Entzug der Grundlagen zur intuitiven Beurteilung sollte sich das Misstrauen in dieStruktursicherheit eigentlich steigern, doch ist im Gegenteil die Verblendung der Substanz allgemein willkommen. Das Knuspern an der makellosen Fassadenordnung ist ein Grundrauschen aller Fußgängerzonen. Der Spalt zwischen Kern und Vorsatzschale ist Niemandsland. Dieser Zwischenraum ist das reine Nichts, wo nichts ist als Zwischenraum. Nistplatz lichtscheuer, haariger Abstandshalter. Wer von neuen Geisterstädten spricht: hier im Nichts sind ihre Brutstätten.
Der vorgestellte Fall einer Notsicherung ist somit gleichfallsinfrage gestellt– und damit der Handlungsspielraum überhaupt. Denn ob das Stützen der Fassade noch den Kern erreicht, ist ungewiß.

IV
Zum Zeitpunkt der Projektrealisierung 2011 sorgte eine Staatsschuldenkrise für die Infragestellung der sicheren Wirtschaftsgrundlage. Das bot den aktuellen Hintergrund für weitere Bemerkungen zum Thema, da es im Prinzip um das gleiche Scheitern von Sicherheitsvorstellungen ging wie 1912.

Erfahrungen berechtigen nicht zu sicheren Voraussagen (D. Hume). Ein Dilemma, denn die Vorstellung von Zukunft kann nur aus Bisherigem erdacht werden und von ihr hängt alles Vertrauen und das daraus folgendeHandeln ab. Sicherheitskrisen sind zuerst Vertrauenskrisen in die Zukunft, die sich steigern, wenn die Fehler in den heuristischen Grundlagen derEntscheidungen offenbar werden. Auch die letzten beiden Bankenkrisensind die Folge von Vertrauensverlusten: 2008 – Vertrauen in steigende Immobilienwerte (um nach Aufnahme von Hypotheken die Wertsteigerung abzuschöpfen), 2011 – Vertrauen in die Wertbeständigkeit europäischer Staatsanleihen (für deren Gegenwert die Banken kaum Realreserven vorhalten mussten). Die Bankenkrise 2008 war unter anderem die Folge eines Versuches, die kausale Bindungsschwäche zwischen Einzelvorgängen zu überlisten: Zur Anreizung des risikoaversen Kaufinteresses sollten Derivate durch eine so enge Verknüpfung von Immobilien- und Finanzmarkt entstehen (hypothekengesicherte Darlehen), dass eine Entbündelung verunmöglicht wurde. Totalschaden war die Folge. Sicherheit in der Finanzwirtschaft bedeutete danach, mit dem schlimmsten Fall zu rechnen.

Die Rettungsmilliarden für den Euro stützten vor allem die Banken durch Garantien für die abgewerteten Staatsanleihen. Doch wurde dadurch zunächst wenig Stabilisierung erreicht. Die Euro-Fassade distanzierte sich von der Realwirtschaft der Länder und verdeckte deren strukturelle Unterschiede. Die Haushalte wurden intern aufgezehrt von einem unverhältnismäßigen Schuldenwachstum. Die Löcher im Staatshaushalt haben den Charakter aller Löcher: alle interessiert nur die Tiefe, nicht der Rand. Sie entsprechen den Spekulationsabsichten der Kapitalmärkte, die den Tunnelblick auf hohe Gewinnaussichten pflegen, ohne das Umfeld zu berücksichtigen.

Die Notsicherungen tragen irgendwann das ganze System. Das Absichern wird zu einer Fassade vor der Fassade. Die Substanz an entstandenen Verbindlichkeiten kann in Jahrhunderten nicht ausgeglichen werden.

Sammlung

Der Goldene Trottel hinter der Fassade

2012

test
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